Die regionalen Tageszeitungen machen derzeit mobil – journalistisch mit der (eher missglückten, da zu wenig durchdachten) Aktion „Gesicht zeigen für guten Journalismus“, unternehmerisch mit einer Häufung von Tagungen und Kongressen, in denen es um die Frage geht, wie die gedruckten Zeitungen überleben können, wenn die Auflagen wegbrechen, wie es bei den meisten Blättern der Fall ist. Die digitalen Ausgaben der Zeitungen können die Verluste (noch?) nicht ausgleichen – welches Geschäftsmodell hat also Zukunft?
Fragen dieser Art stellten sich die Zeitungsverlage früher auch schon. Sie kämpften mit der Technik, mit der Zensur, mit der Unabhängigkeit und vor allem mit der Konkurrenz, die auch vor unlauteren Aktionen nicht zurückschreckte. Darunter litt auch die „Freiburger Zeitung“. Sie existierte von 1784 bis 1943 und war die Vorläuferin der „Badischen Zeitung“. Seit 1863 gehörte die „Freiburger Zeitung“ der Familie Poppen, später Poppen & Ortmann, und auch die 1946 gegründete „Badische Zeitung“ ist nun zum Jahresende mit dem Ausscheiden der Heinrich Rombach KG ganz im Besitz der Familie Poppen.
Ihre Vorfahren ließen sich – das will dieser unterhaltsame Rückblick zeigen – so manches einfallen, um ihre Position im heißumkämpften Zeitungsmarkt in Südbaden zu verbessern. Bemerkenswert das Wagnis der „Freiburger Zeitung“, 1868 ein „humoristisch-satirisches“ Wochenblatt mit dem Titel „Aha!“ herauszugeben. Dies statt der bis dahin obligatorischen, betulichen Wochenendbeilage „Der Feierabend“. Die Konkurrenz wie auch die katholische Kirche bekämpften das Projekt von Anfang an – und hatten letztlich auch Erfolg: „Der Feierabend“ kam wieder zurück.
Besser erging es dem Projekt „Straßenanzeiger“. Die „Freiburger Zeitung“ veröffentlichte die in ihrem Blatt erscheinenden Anzeigen auch auf rund 60 Plakattafeln an öffentlichen Gebäuden und an „den frequentesten Straßenecken“, um ihren Inserenten so eine größere Verbreitung zu sichern. Ungewöhnlich auch das Angebot der „Freiburger Zeitung“ aus dem Jahr 1884, als sie in ihrem Geschäftszimmer neben Lotterie-Losen auch „aecht Kölnisch Wasser“ anbot. Man stelle sich den Duft in diesem Raum vor!
Zwei Mal schief ging der Versuch der Zeitung, mit der Veröffentlichung der amtlichen Liste aller in Freiburger Hotels abgestiegenen Gäste gegen die Konkurrenz zu punkten. 1909 dauerte das Unternehmen gerade mal eine Woche, dann setzten sich die Hotelbesitzer gegen die FZ durch – ein erster erfolgreicher Akt des Datenschutzes …
Am erfolgreichsten für die „Freiburger Zeitung“ erwies sich die am 1. Januar 1899 eingeführte „Abonnenten-Versicherung“. Jeder Abonnent der FZ war gegen Unfall-Tod versichert. Starb er (auch bis zu drei Monaten nach dem Unfall an dessen Folgen), erhielt die Witwe oder der nächste Angehörige gegen Vorzeigen der Quittung sofort 300 Mark. Die Investitionen lohnten sich: Von etwa 14.000 Exemplaren um 1899 stieg die Auflage bis 1914 auf etwa 23.000 Stück. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs stellte die „Freiburger Zeitung“ ihre Abonnenten-Versicherung ein. Rund 130 mal musste die FZ bis dahin die Versicherungssumme ausbezahlen, die sie aber Jahre zuvor schon gedeckelt hatte. Höchstens 3.000 Mark pro Jahr wurden danach noch ausgezahlt. Sofort bekamen die Angehörigen jetzt nur noch 100 Mark. Blieb am Ende des Jahres von den 3.000 Mark noch etwas übrig, wurde die Summe unter den aktuellen Opfern aufgeteilt.
Die „Abonnenten-Versicherung“ war keine Idee der „Freiburger Zeitung“, sondern war 1882 in England erstmals von einer Zeitung eingeführt worden. In Deutschland wurde sie zuerst von einer Zeitung in Leipzig aufgegriffen und danach von etlichen Verlagen übernommen. 1913 boten laut einem kenntnisreichen wikipedia-Beitrag 235 Tageszeitungen und zig Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von 5,5 Millionen Exemplaren Abonnenten-Versicherungen an.
Doch zu diesem Zeitpunkt kulminierte auch der Widerstand gegen diese Art von Abonnenten-Bindung: Der Reichstag gab 1911 eine „Denkschrift“ in Auftrag, die aber eher Verständnis zeigte für Verlage in schwieriger Konkurrenz. Staatsekretär Delbrück trat 1913 im Reichstag diesem Eindruck entgegen, und auch die renommierte „Frankfurter Zeitung“ befand, dass dieser Werbe-Anreiz unlauter sei, da er mit dem eigentlichen Zeitungsgeschäft nichts zu tun habe. „Mit solchen Mittel kommt man geradewegs in Zustände, wie sie die gelbe Presse Amerikas zeigt“, urteilte die „Frankfurter Zeitung“ Anfang 1913 streng, „in Zustände, die die Achtung zerstören müssen, deren die Presse bedarf, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen soll“.
Manche Verlage hielten mit ihrer Abonnenten-Versicherung bis nach der Währungsreform 1948 durch. Und danach? Das mutige und richtungsweisende Vorarlberger Medienhaus („Vorarlberger Nachrichten“) bietet seit 2004 ein Dienstleistungspaket an, zu der auch eine Abonnentenversicherung zählt. Also doch noch ein Geschäftsmodell?
