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Nun ist auch “Der Alemanne”, das Freiburger Kampfblatt der NSDAP, Online – vom “Großmut” gegenüber der Juden

Seit kurzem hat die Universitätsbibliothek Freiburg ihr digitales Angebot bemerkenswert ausgebaut – „Der Alemanne“, das „Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens“, liegt nun im Internet vor und kann ohne jede Zugangsbeschränkung gelesen und ausgewertet werden (https://www.ub.uni-freiburg.de/…/zeitungen-zeitschriften/).

Damit hat sich die Universitätsbibliothek einmal mehr um die regionale Pressegeschichte verdient gemacht, denn vor dem „Alemanne“ hat sie bereits die anderen, vor 1945 in Freiburg erschienenen Tageszeitungen digitalisiert, so als erstes

– die national-liberale „Freiburger Zeitung“ (1784 bis 1943) aus dem Haus Poppen & Ortmann, eine der Vorläuferinnen der heutigen „Badischen Zeitung“
– die deutschnationale „Breisgauer Zeitung“ (1853 bis 1934). Digitalisiert, da wohl nur noch vorhanden, sind lediglich die Jahrgänge von 1871 bis 1914)- die zentrumsnahe katholische „Freiburger Tagespost“ (1908 bis 1940) von Heinrich Rombach, dem Mitbegründer der „Badischen Zeitung“
– die sozialdemokratische „Volkswacht“, die „Tageszeitung für das werktätige Volk Oberbaden“ (1911 bis 1933), die als erste von den Nazis verboten und enteignet wurde. In ihrem Verlagsgebäude in der Predigerstraße 3 zog danach die NS-Presse ein, nämlich
– „Der Alemanne“, das „Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens“. Im November 1931 gegründet, ging es im April 1945 mit dem bis zum Schluss verherrlichten Terrorregime der NSDAP unter.

Die erste Ausgabe des “Alemannen”, des “Kampfblatts der Nationalsozialisten Oberbadens” vom 1. November 1931. Einige Monate später wurde Franz Kerber Hauptschriftleiter. Er profilierte sich unter diversen Pseudonymen zum Judenhasser, bis er sich dann im April 1933, nun schon Kreisleiter der NSDAP, zum Freiburger Oberbürgermeister hochputschte. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg

Dass „Der Alemanne“ nun als letzte der Freiburger Tageszeitungen digital und damit öffentlich zugänglich ist, mag vielleicht auch dem internen Entscheidungsprozess der Universitätsbibliothek geschuldet sein. Man zögerte wohl eine gewisse Zeit, das Naziblatt aus dem Giftschrank zu holen und es der öffentlichen Nutzung zu überlassen. So ist es aber nun geschehen. Dies nur mit folgendem Kommentar: „Die Universitätsbibliothek Freiburg stellt das “Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens, Der Alemanne” zu Forschungszwecken zur Verfügung. Von den Inhalten distanziert sie sich ausdrücklich.“

Wer nun das Recherchieren in der seit mehr als einem Jahrzehnt schon verfügbaren digitalen „Freiburger Zeitung“ gewohnt ist, wundert sich über die mittelmäßige Qualität der Digital-Ausgabe des „Alemannen“. Das fängt bei der Auflösung der Scans an, die längst nicht die Dichte, die Qualität der digitalen „Freiburger Zeitung“ haben. Hat man es dort geschafft, den Vergilbungsprozess der historischen Vorlagen herauszufiltern, so muss man das nun selbst versuchen, will man nicht bräunliche Dokumente für sich abspeichern.

Wie leider bei allen digitalisierten Freiburger Tageszeitungen zuvor, fehlt auch beim „Alemanne“ eine Volltext-Suche – das heißt, wer in dem Naziblatt etwas finden will, muss sich auf eine anstrengende Suche machen. Andere Bibliotheken im Deutschland sind da weiter. Dazu kommt, dass man – wie leider schon beim Digitalisat der „Breisgauer Zeitung“ – beim „Alemanne“ nicht einzelne Tagesausgaben, sondern nur Monate aufrufen kann – und man sich dann mühsam durcharbeiten muss.

Auch im Vergleich dazu ist das Digitalisat der „Freiburger Zeitung“ vorbildlich: man kann dort ohne weiteres jede Tagesausgabe ansteuern und hat dann die einzelnen Seiten der Zeitung sofort im Blick. Genau so komfortabel ist auch das Angebot der „Volkswacht“ und der „Tagespost“. So bleibt der Eindruck, dass die Universitätsbibliothek es den Interessenten für die Freiburger NS-Presse nicht zu leicht machen will …

Genug der Kritik. Viel schwerer wiegt das Lob für die Universitätsbibliothek Freiburg, dass sie dieses gewaltige Digitalisierungsprojekt überhaupt gestemmt hat. Damit steht sie in Deutschland sicher an der Spitze. Wohl nirgends im Land hat man diese Möglichkeit, alle vor 1945 erschienenen Tageszeitungen seiner Region zu Hause am Computer zu studieren.

Was das „Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens“ angeht, so lässt sich nun der Aufstieg des „Alemanne“ von den dilettantischen Anfängen im November 1931 bis zu seiner Rolle als auflagenstärkste Tageszeitung ab Mitte der 30er Jahre verfolgen. Und man kann da schreckliche Entdeckungen machen.

VOM “GROSSMUT” DER DEUTSCHEN GEGENÜBER DEN JUDEN

Vom “Großmut der Deutschen gegenüber den Juden” schrieb am 16. Februar 1936 der “Alemanne” in seiner “Wochenschau”. Autor war wahrscheinlich Dr. Karl Goebel, der es 1935 auch zum Ratsherr in Freiburg gebracht hatte, und bis zum Ende im April 1945 das Naziblatt leitete. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg

So etwa in der Ausgabe des „Alemannen“ vom 16. Februar 1936. Einige Tage nach dem tödlichen Attentat von David Frankfurter auf Wilhelm Gustloff, den NSDAP-Landesgruppenleiter in der Schweiz, stand in der „Wochenschau“ des NS-Blatts folgendes zu lesen, nicht gezeichnet, aber wohl geschrieben vom damals 28jährigen, kommentierfreudigen Hauptschriftleiter Dr. Karl Goebel:
„Kein Volk der Erde, keine revolutionäre politische Bewegung ist mit den Feinden der Nation so milde verfahren wie der deutsche Nationalsozialismus mit dem Judentum.“ Genannt werden nun die Revolutionen in England, Frankreich und Russland, die Tausenden das Leben gekostet hätten. Und der Autor fährt fort: „Die dem deutschen Menschen innewohnende Anständigkeit verbot es ihm, selbst dem unritterlichsten Gegner gegenüber solch barbarisches Verfahren anzuwenden. Die Deutsche Revolution begnügte sich damit, das Judentum aus seiner politischen Vormachtstellung zu vertreiben, es blutmäßig vom deutschen Volke zu trennen, die schlimmsten Hetzer im Konzentrationslager unterzubringen und im übrigen der Flucht des schlechten Gewissens keine Hindernisse in den Weg zu legen.“

„Dieser Großmut“, so heißt es weiter, „war gewiß kein Zeichen der Schwäche, sondern der inneren Stärke einer Bewegung, die sich bewußt ist, endlich das Lebensrecht eines gequälten und ausgeplünderten Volkes zu verwirklichen.“ Wenn in der ausländischen Presse zu lesen sei, „man müsse dem Juden Frankfurter zugute halten, daß er zu seiner Mordtat an Gustloff durch die antijüdische Einstellung des Dritten Reiches getrieben worden sei, so ist das nicht nur eine Dummheit, sondern auch ein freche Beleidigung, die unser ganzes Volk, unterschiedslos jeden deutschen Mann und jede deutsche Frau treffen soll. Nein, die Methode, den politischen Gegner nicht im offenen Kampf, sondern durch seine feige Meuchelei beseitigen zu lassen, war schon immer das ‚Vorrecht‘ jener verhängnisvollen und haßerfüllten Macht, die der Führer bei der Schweriner Trauerfeier so deutlich gekennzeichnet hat.“

Wahrscheinlich wider besseres Wissen behauptet der Autor: „Niemals ist von einem SA-Mann ein Jude getötet worden, aber Hunderte von nationalsozialistischen Freiheitskämpfern wurden durch die Söldlinge des Judentums ums Leben gebracht.“ Dass David Frankfurter ausdrücklich erklärt habe, er habe „in dem ihm völlig unbekannten Manne lediglich das Deutsche Reich und den Nationalsozialismus treffen wollen“, beweise doch, „daß der vorsätzliche Mord eine bevorzugte Waffe des jüdischen Geistes ist und daß diese Waffe sich gegen jeden richtet, der die internationale Herrschaft der Judenschaft nicht anerkennt.“

David Frankfurter (1909-1982) war im Oktober 1933 als Medizinstudent vor dem Judenhass in der Frankfurter Universität in die Schweiz geflohen. Er wollte mit seinem Attentat auf Wilhelm Gustloff ein Zeichen dafür setzen, dass Juden sich gegen die Unterdrückung und Verfolgung durch das NS-Regime wehren können. Dies als Einzelner und nicht als Teil einer angeblichen Weltverschwörung. Er wurde in der Schweiz verurteilt, konnte nach 1945 aber nach Israel ausreisen.

Er hat also überlebt. Millionen von Jüdinnen und Juden wurden von den Nazis umgebracht. Von Großmut keine Spur.

Diese Aufforderung im “Alemannen” vom 3. Januar 1933 war Teil einer Kampagne gegen jüdische Geschäfte, die besonders bis zum Ausscheiden von Franz Kerber als Hauptschriftleiter im April 1933 massiv betrieben wurde. Danach wurden die antisemitischen Parolen im Anzeigenteil seltener. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg

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