wird es nächstes Jahr in Freiburg geben – das habe ich in der ersten Version dieses Textes verkündet, aber damit den Ereignissen vorgegriffen (danke, Timothy Simms!). Es gibt noch keinen Beschluss des Gemeinderats, nächstes Jahr zwei verkaufsoffene Sonntag aus Anlass des 900jährigen Stadtjubiläums zuzulassen, sondern erstmal nur einen Antrag dafür. Aber es sieht so aus, als ob es mit Stimmen der Grünen, der CDU, der Freien Wähler und der FDP/Bürger für Freiburg erstmals eine Mehrheit dafür gibt. Denn dazu dürften noch Stimmen aus anderen Fraktionen kommen. Hier und da wird noch beraten, wie man mit dem Thema verkaufsoffene Sonntage als Ausnahme umgeht.
Nach jahrelangen vergeblichen Versuchen scheint also der Freiburger Einzelhandel nun doch noch eine Mehrheit im Gemeinderat zu finden, die das Einkaufen am Sonntag, vorerst nur 2020, zwei Mal im Jahr ermöglicht. Dafür würden zwei sogenannte Mega-Samstage, die das Einkaufen bis 24 Uhr zulassen, gestrichen.
Was für die einen nur eine einmalige Ausnahme im Jubiläumsjahr darstellen würde, ist für die anderen der Angriff auf ein Tabu: die absolute Sonntagsruhe im Handel. .
Sie wurde im 19. Jahrhundert, etwa von 1880 an, erbittert vor allem von den Organisationen der Handlungsgehilfen, den Vorläufern der Gewerkschaft Verdi, erkämpft – Stunde um Stunde konnten sie an den bis zu zehn Stunden langen Öffnungszeiten am Sonntag abknapsen. Widerstand kam von den Einzelhändlern selbst, die um ihre Landkundschaft und die Arbeiterfamilien fürchteten, die bei einer sechstägigen Arbeitswoche mit bis zu 13 Stunden Arbeit am Tag nur den Sonntag zum Einkaufen hätten. Auch viele jüdische Kaufleute waren gegen die Sonntagsruhe – sie sahen den Sonntag als Ersatz für die Einschränkungen am Sabbath.
Der erste Freiburger Kaufmann, der in seinem Geschäft die völlige Sonntagsruhe einführte, war Carl Claussen, der in der Kaiserstraße 16 ein Textilgeschäft betrieb. Im Januar 1889 verkündete er diesen Schritt mit einer Anzeige in der „Freiburger Zeitung“. Ob er damit zu mutig war, bleibt offen, jedenfalls wurde 1892 über sein Vermögen der Konkurs eröffnet.
Wobei hier noch auf ein Unikum hinzuweisen ist: Bis 1907 mussten in Freiburg die Ladengeschäfte während der Hauptgottesdienstzeit ihre Schaufenster verhängen, damit die Konsumlust nicht die verordnete Frömmigkeit gefährde,
1903 hatten es die Befürworter der Sonntagsruhe immerhin geschafft, dass das Bezirksamt Freiburg durch „Ortsstatut“ die Öffnungszeiten an den Sonntagen im Sommer auf zwei Stunden und im Winter auf vier Stunden reduzierte.
Der Erste Weltkrieg kam der geplanten reichsweit verbindlichen Klärung der Sonntagsruhe zuvor – und es zeigte sich, dass der Krieg neben all seinem Leid und Schrecken sozialreformerische Fortschritte brachte, schon aus Mangel an Kohle. So beschloss der „Verein selbständiger Kaufleute“ im September 1917 nicht nur, unter der Woche die Öffnungszeiten auf die Zeit von 9 bis 18 Uhr zu beschränken, sondern auch eine völlige Sonntagsruhe einzuführen – mit Ausnahme der drei Sonntage vor Weihnachten.
Damit kam Freiburg der reichsweiten Regelung zuvor, wie sie im Artikel 139 der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 verankert wurde. Seitdem ist der Sonntag als Ruhetag verfassungsrechtlich geschützt – heute durch Artikel 140 des Grundgesetzes. Aber Ausnahmen sind, siehe oben, möglich.
