„Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist Gegenwart und kann wieder Zukunft werden“
(Fritz Bauer, 1903-1968, Generalstaatsanwalt in Frankfurt und Urheber der Auschwitz- Prozesse)
In der Montag-Ausgabe der Badischen Zeitung schrieb der „Ombudsmann“ des Blatts in seiner Kolumne „Wir müssen reden“ unter der Überschrift „Verschweigen ist auch keine Lösung“ zu Beginn: „Konflikte müssen ausgetragen werden. Wer versucht, sie totzuschweigen, verschärft sie.“ Genau das passiert derzeit – von der Badischen Zeitung selbst. Was ich mir bislang nicht vorstellen konnte, ist geschehen – und dies ausgerechnet mit mir als Betroffenem, der ich rund 20 Jahre für die Badische Zeitung als Redakteur gearbeitet habe, zuletzt bis zu meinem Ruhestand 2011 als Mitglied der Chefredaktion.
Worum geht es? Um einen Akt der Zensur.
Ich habe am 21. Juli 2018 im Wochenend-Magazin der Badischen Zeitung einen zweiseitigen Text zum 80jährigen Betriebsjubiläum der Freiburger Firma Betten Striebel veröffentlicht. Anlass meiner Recherchen war die Tatsache, dass die Firma Striebel in ihrer 10seitigen
Zeitungsbeilage zum Jubiläum wie auch auf ihrer Homepage mit keinem Wort daran erinnert(e), dass sie die Gründung ihres Unternehmens im Jahr 1937 einzig und allein der „Arisierung“ des angesehenen und weitbekannten jüdischen Betten- und Aussteuer-
Kaufhauses Julius Marx zu verdanken hat.
Nach Erscheinen dieser Jubiläumsbeilage in der BZ Anfang Oktober 2017 habe ich zwei Monate lang die Geschichte des Kaufhauses Julius Marx und dessen Ende bis ins Detail recherchiert und das Ergebnis Anfang Dezember der Firma Striebel in einer umfangreichen Dokumentation überreicht – verbunden mit der Bitte um ein Gespräch oder zumindest die Beantwortung von Fragen zum Umgang der Firma mit ihrem 80jährigen Bestehen. Man muss wissen: Striebel ist ein guter Anzeigenkunde der BZ, aber andererseits: Wo soll die Firma denn in Freiburg inserieren, wenn nicht in Medien des Badischen Verlags?
Doch mehrere meiner Schreiben in den nächsten Monaten blieben unbeantwortet – und dies, obwohl ich die Firma Striebel darin, zuletzt sogar sehr deutlich, darauf hingewiesen habe, dass ihr (Ver-)Schweigen, ihre Sturheit und ihre Untätigkeit sich nachteilig auswirken würden. Dieses Verhalten war und ist umso unverständlicher, weil völlig klar ist, dass die jetzige Betreiberfamilie Hamer, die erst in den 1980er Jahren in das Unternehmen eingestiegen ist, mit der „Arisierung“ im Jahr 1937 durch die Familie Striebel nicht das Geringste zu tun hat.
Dies stand auch klar und deutlich in meinem Text für das BZ-Magazin – ebenso aber auch die Anmerkung, dass, wenn man schon meint, das 80jährige Bestehen der Firma Striebel groß feiern zu müssen, das völlige Verschweigen des jüdischen Vorgängers „gerade in der heutigen Zeit nicht zu akzeptieren“ sei.
Thomas Fricker, der Chefredakteur der Badischen Zeitung, war und ist da ganz anderer Meinung: Er ließ nach Erscheinen des gedruckten Textes sofort die Online-Version des Beitrags aus dem Internet-Auftritt der Badischen Zeitung löschen und verbot auch die Veröffentlichung der Leserbriefe zu meinem Beitrag – wegen angeblicher „journalistischer Mängel“ des Textes. Hätte er meine Geschichte schon vor Drucklegung lesen können, wäre sie nie erschienen, gab er mir Tage später in einer Mail zudem zu verstehen.
Aus seiner BZ-Redaktion erhielt ich dagegen durchaus Lob für meinen Text – sonst wäre er ja nie gedruckt worden. Aber auch sonst habe ich selten so viel Zuspruch und Anerkennung für einen Zeitungsbeitrag von mir erhalten wie in diesem Fall. Was andere dann wieder fragen ließ, wo man den Text denn lesen kann, da er ja im Internet nicht mehr zu finden ist.
BZ-Chefredakteur Thomas Fricker dagegen fand den Beitrag unnötig skandalisierend: er verletze das „Ansehen unbescholtener Bürger“. Einem verhinderten Leserbriefschreiber gab Fricker zu verstehen, dass es das gute Recht der (umgehend von ihm aufgesuchten und beschwichtigten) jetzigen Betreiberfamilie der Firma Striebel sei, wenn sie „mit der Entstehungsgeschichte der Firma Striebel nichts zu tun haben will“. Dieser
Leserbriefschreiber teilte mir mit, der eigentliche „journalistische Mangel“ des Artikels sei „für Herrn Fricker die Wirkung, die er erzeugt hat“. Ein Haltungs-Mangel, darum geht es also, denn rein inhaltlich war mir als Autor kein Fehler nachzuweisen. In der BZ-Chefredaktion wurde zudem bemängelt, ich hätte zwischen Bericht und Kommentar nicht unterschieden – was für ein Vorwurf für einen Text im BZ-Magazin, das eigentlich nur aus Meinungen, Wertungen, Kritiken besteht! Das Löschen der Online-Version meines Beitrags durch den, so meine Meinung, überforderten BZ- Chefredakteur halte ich für einen fatalen Fehler – beschämend und kurzsichtig dazu. Ich habe gegen diese Form der Zensur auch bei der Verlagsspitze der Badischen Zeitung mehrfach protestiert und die Rücknahme dieser Entscheidung gefordert – bislang vergeblich. Die Herren halten sich erstmal heraus. Aus Rücksicht auf meinen langjährigen Arbeitgeber habe ich bis jetzt abgewartet und auf Einsicht gehofft, vergeblich. Man will dort offensichtlich diese heikle und unerfreuliche Angelegenheit aussitzen. Doch dazu bin ich nicht bereit. Deshalb haben nicht nur jene, die mich in den letzten Wochen darauf angesprochen haben, jetzt die Gelegenheit, meinen Beitrag „Jubiläum aus dem Nichts“ hier online zu lesen – also meine Geschichte über das jüdische Kaufhaus Julius Marx, die „Arisierung“ durch die Firma Striebel und deren 80jähriges Betriebsjubiläum. Und sie können selbst urteilen, was davon zu halten ist. Ich freue mich auf Zuschriften, denn hier sind Leserbriefe erwünscht – wie auch das Teilen dieses Posts. Da ich wenig Lust habe, mich auf einen Copyright-Streit mit der BZ einzulassen, habe ich meinen Original-Beitrag vom 21. Juli 2018 in einem eigenen Layout aufbereitet: